Pro und Kontra Selfpublishing

Noch immer werden Selfpublisher-Autoren wie Autoren 2. Klasse behandelt und von vielen Lesern, vor allem aber von Verlagsautoren nicht als "richtige" Autoren gesehen.
In einigen Foren, in denen man seine eigenen Bücher vorstellen darf, werden solche Werke kategorisch ausgeschlossen. In einem stand dazu als Begründung - sinngemäß - man wolle eine "gewisse Qualität" haben.

In meinen Augen beinhaltet diese Äußerung das Vorurteil, dass alle bei "richtigen" Verlagen erschienenen Werke gut sind und alle, die selbst veröffentlicht werden, schlecht sind.
Meiner Meinung nach ist aber auch ein "richtiger Verlag" mit einem "richtigen Lektorat" nicht Gradmesser dafür, ob ein Buch "gut" oder "schlecht" ist. In der Kunst gibt es immer zwei Maßstäbe. Der eine ist natürlich die Qualität, der andere aber Geschmack. Die Grenze dazwischen bzw. die Frage, was denn nun alles zur Qualität gehört, ist ein Diskussionspunkt. Über die reinen Qualitätsmerkmale und den reinen Geschmack hingegen lässt sich nicht streiten.

Bei Belletristik ist diese Grenze besonders schwer zu ziehen. Bei einem Sachbuch ist das sehr viel einfacher, da hier vor allem Gliederung, logischer Aufbau etc. im Vordergrund stehen. Belletristik hingegen hat viele Facetten. Es gibt Leute, die behaupten, ein Roman müsse unbedingt im Imperfekt geschrieben sein. Es gibt aber kein feststehendes Gesetz, das das vorschreibt. Ein Roman im Präsens ist daher nicht "falsch", sondern Geschmackssache oder ein Stilmittel.
Es gibt Leute, die behaupten, ein Roman müsse einem bestimmten Aufbau folgen. Letztlich ist es aber nur wichtig, dass der Leser der Logik des Aufbaus folgen kann, aber nicht, wie genau der aussieht. Sprich: Solange der Leser es nachvollziehen kann, könnte ein Roman auch rückwärts geschrieben sein.
Es gibt bestimmte Vorstellungen über den ersten Satz, den ersten Absatz. Wer aber mal berühmte Klassiker der Literaturgeschichte hinsichtlich des ersten Satzes untersucht, wird da nicht bloß Gold finden. Zwar kann man durchaus sagen, dass der erste Abschnitt generell wichtig ist, aber wie ein "guter erster Abschnitt" auszusehen hat, ist nicht eindeutig geregelt.

Grundsätzlich kann man wohl nur eins über Romane sagen: ein Roman ist "gut", wenn er eine interessante Geschichte beinhaltet, diese einigermaßen "flüssig" erzählt wird (also so, dass man sie leicht lesen kann und nicht jede Seite zweimal lesen muss, um sie zu verstehen) und keine Logikfehler beinhaltet.
Über diese Gabe verfügt nicht jeder Autor. Das bedeutet aber nicht, dass alle Autoren bei "richtigen" Verlagen dazu in der Lage wären, einen solchen Roman zu schreiben, und alle Selfpublisher das nicht könnten. Ich habe gute Selfpublisher-Romane gelesen und schlechte Romane, die von "richtigen" Verlagen verlegt wurden - voller Logikfehlern, stockend und bodenlos langweilig. (Umgekehrt gibt es das natürlich auch :D)
Nicht einmal Fehlerfreiheit kann man den Verlagsbüchern attestieren. Es gibt ohnehin keine fehlerfreie Bücher, aber die Fehlerquote in Verlagsbüchern überrascht dann doch.

Warum veröffentlichen nun "richtige" Verlage auch "schlechte" Bücher, während Autoren mit guten Büchern sich schließlich dazu entscheiden, selbst zu veröffentlichen, weil sie einfach keinen "richtigen" Verlag finden?
Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich sagen: Es ist reine Glückssache, bei einem Verlag unterzukommen. Man muss zur richtigen Zeit das richtige Manuskript an den richtigen Verlag schicken. Dazu müsste man aber letztlich ständig seine Manuskripte an irgendwelche Verlage schicken. (Manche Leute tun das auch.) Das kostet letztlich aber mehr Geld, als sich eine eigene ISBN zu kaufen oder das Skript ganz einfach bei Kindle hochzuladen, wo man nicht mal die braucht und gar keine Kosten im Vorfeld hat.

Es gibt sogar eine Reihe von Gründen, die gegen einen "richtigen" Verlag sprechen:

  • Die Suche danach dauert ewig, und es ist eben Glückssache, ob man fündig wird (oder eine Sache des "Vitamin B").
  • Es dauert rund zwei Jahre, bis das Buch veröffentlicht wird.
  • Man ist nicht mehr sein "eigener Herr", sondern ist in vielerlei Hinsicht an den Verlag gebunden, was den Preis des Buches betrifft, die Vermarktung, Gestaltung etc.
  • Sich mit einem Verlagslektor auseinandersetzen zu müssen, kann ausgesprochen nervig sein. Der Lektor folgt "den Gesetzen des Marktes" und erklärt dem "dummen Autor" gern mal (besonders, wenn es ein neuer Autor ist), dass er das und das so aber nicht schreiben kann, weil das so und so wirken könnte. Die Folge ist, dass Geschichten oft drastisch gekürzt werden oder sogar ganz nach "Zielgruppe" umgebaut werden und damit auch ihren "Zauber" verlieren.
  • Es kann sein, dass man 25 Mal die Korrekturfahnen zurückschicken muss, weil der Setzer nicht versteht, was eine Fußnote ist.
  • Sie sind trotzdem nur ein "kleiner Fisch" von vielen. Sie müssen zwar keine 100 EUR bezahlen, damit Ihr Buch auf einer Buchmesse ausgestellt wird, aber wenn Sie bei einem großen Verlag veröffentlichen, wird Ihr Buch dort auch nicht weiter auffallen.

Die Vorteile eines "richtigen" Verlages sind:

  • Wirklich schlechte Bücher erblicken niemals das Licht der Öffentlichkeit.
  • Die bessere Betreuung (ist aber nur was für Leute, die sich auch betreuen lassen möchten).
  • Definitiv die bessere Vermarktung, denn die selbst zu übernehmen ist wirklich sehr schwierig.
  • Sie werden als Autor ernst genommen.

Über eines müssen Sie sich aber bei beidem im Klaren sein: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein Bestsellerautor werden, ist in etwa so hoch wie sechs Richtige im Lotto. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie reich und berühmt werden, ist noch geringer. Die Wahrscheinlichkeit, das als Selfpublisher hinzubekommen, ist natürlich noch niedriger als bei einem "richtigen" Verlag. Allerdings habe bzw. hatte ich auch Auftraggeber, die als Selfpublisher angefangen und darüber einen Verlag gefunden haben oder die eine Menge Geld mit teilweise "schlechter Literatur" machen, ganz einfach, weil sie eine Nische gefunden haben.

Meine Entscheidung gegen einen "richtigen" Verlag fiel aus genau den oben aufgeführten Gründen. Ich war immer mit dem "falschen" Buch zur falschen Zeit beim falschen Verlag. Die Begründung der Ablehnung war oft: "ganz interessant, aber wir glauben nicht, dass man dafür einen großen Leserkreis interessieren kann." Also nicht "Sie können nicht schreiben", sondern "Sie haben das falsche Thema."
Ich möchte aber über das schreiben, was MICH interessiert und nicht über etwas, was vielleicht große Leserkreise interessieren KÖNNTE.

Als es darum ging, eine fiktive Biografie, die ich gemeinsam mit einer Co-Autorin geschrieben hatte, zu vermarkten, wussten wir, dass dieses Thema nur einen kleinen Kreis ansprechen würde. Es war sinnlos, damit zu einem "richtigen" Verlag zu gehen.
Somit entschieden wir uns ganz bewusst dafür, das Buch selbst zu veröffentlichen, um es genau so, wie wir es geschrieben hatten, in den Händen halten zu können. Wir wussten, dass "unser Baby" ansonsten entweder abgelehnt oder von einem Lektor "verstümmelt" werden würde, um es für einen größeren Leserkreis interessant zu machen.
Uns ging es definitiv nicht darum, reich und berühmt zu werden, sondern darum, dieses Buch so lieben zu können, wie es ist.



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